Der nicht startet

DNS... bisher ja quasi nur ein abstraktes Kürzel, seit nun aber auch eine von mir erreichte Größe. Der nicht startet - bzw. wie man auf der anderen Seite vom Teich zu sagen pflegt Did not start.
Mit welchem Trainingsplan ist nun ein solches Ziel zu erreichen? Ich denke sagen zu können, daß  Männer hier einen echten Geschlechtervorteil verbuchen können. Viele der für ein DNS notwendigen Zutaten sind bei Ihnen - im Mittel gesehen - einfach von Anfang an dabei. Dies wird um einiges deutlicher, wenn man sich den Trainingsplan für ein erfolgreichen DNS ansieht:
Nun also im Detail
Größenwahn. Am besten sucht man sich von vornherein ein Event dessen Umfang und Intensität ein - ab dem Datum der Entscheidung - nicht mehr zu leistendes Training erfordern würde. Damit dennoch das Ziel erreicht wird, muß der so genannte Erwartungsdruck der Umwelt so stark stimuliert werden, daß ein Training letztlich völlig ausbleiben kann. Man will ja nicht mehr starten, man muß. Denn durch allseitige Bekanntgabe der erfolgten Anmeldung, der Veröffentlichung gewagter Zielzeitprognosen und dem umhertragen einer stolzgeschwellten Brust mit der Aufschrift "Sehr her Ihr Wichte, ich bin ein Anmeldungsheld" wissen neben den Kollegen, dem Sportverein, dem Internet-Forum und der zufälligen Kneipenbekanntschaft (oder kurzen dem Rest der Welt) alle das man starten will und letztlich nur ein Podestplatz als Ergebnis in Frage kommt.
Diese Saat ist gesät. Kommen wir nun zur
Ignoranz. Schnell wird nach dieser Einführung eines Zieles klar: Ich werde es nicht erreichen können. Aber war der Plan nicht diesen Einwand von vornherein nicht zuzulassen? Stimmt. Wird befinden uns also im Modus der Ignoranz. "Mensch, wie willste denn in der kurzen Zeit noch in die notwendige Form kommen" - "Ich bin gut, dabei. Das paßt schon". Sätze wie dieser werden in dieser Phase in beliebiger Ausprägung ausgetauscht. Nach außen immer schön selbstbewußt, nach innen? Nun da gibt es sicher verschiedene Typen. Einige die mit so wenig Denkvermögen gesegnet sind, daß Selbstzweifel in dieser frühen Phase noch nicht aufkommen können. Die anderen, die über erstaunliche Verdrägungsmechanismen verfügen und damit die ernst gemeinten, freundschaftlichen Hinweise Ihrer Umwelt oder Ihres Körpers nicht bis in die bewussten Entscheidungsfindung vordringen lassen. Letztlich ist die Phase immer noch im Einflussbereich des Größenwahns, anders beschrieben also in einem Zustand der akuten Wahrnehmungsstörung. Damit ist es an dieser Stelle aussichtslos zu einer vernunftbegabten Entscheidung zu kommen, die lauten würde: Die äußeren Umstände gebieten es die Teilnahme rechtzeitig und ohne Gesichtsverlust abzusagen.
Härte - oder "Da hab ich mich aber echt in eine dumme Situation gebracht". Irgendwann - meist völlig übergangslos - lässt die Wirkung von Größenwahn und Ignoranz nach. Jeder Versuch bei den üblichen Dealern (Laufjournal: "Marathontraining - in 12std zu einer Zielzeit von unter 3 Std."; Fitnessstudio Reklame:"Ausdauersteigerung bereits nach einmaligem ansehen der Geräte") die realistische Wahrnehmung wieder zu vernebeln schlagen in diese Phase fehl. Verzweiflung keimt kurz auf. Nur die Vernunft, die ist irgendwie immer noch betäubt oder geht gerade nett Eis essen. Daher wird auch jetzt noch nicht die Notbremse gezogen. Es ist zwar klar: Das wird nichts, aber man macht weiter. Augen zu und durch. Der Körper streikt: Zähne zusammen beißen. Die Zeit reicht nicht: Dann eben Training auch noch Nachts. Hilft alles nichts: Ich kauf noch bessere Ausrüstung.
Am Ende dieser Phase kommt irgendwann - nicht immer und nicht bei allen, aber oft bei denen, die später überleben - die Vernunft vorbei: "Moin, Du, was ich schon immer mal sagen wollte: Laß das mal" - "Hä?" - "Na das mit dem Start. Das unsinnige. Das wo Du nicht genügend für trainiert hast. Das wo die Schmerzen Dir schon lange sagen es geht nicht. Das was von Anfang an ein Luftschloß war..., das sollst Du lassen" - " Ach das, aber ich will doch" - "Du willst was? Anderen was beweisen? Früh sterben? Langfristige Schäden basteln?" - "So siehst Du das?" - "Wie sonst soll man es sehen?" - "Tja, so.. ne.. stimmt.. eigentlich.. und wie sag ich es den anderen?". Wenn dieser Dialog mit der Vernunft so oder so ähnlich, mit diesen oder ähnlichen Argumenten abläuft, die Vernunft nicht mit einem Tritt vor die Tür gejagt wird, dann ist der DNS nahezu perfekt. Das langfristig angestrebte Ziel ist erreicht.
Jetzt kommt die echte Herausforderung. Einfach zu sagen: "Mensch Leute da hab ich mir einen zu großen Brocken vorgenommen. Ich wollte zuviel und nun hat es eben nicht funktioniert." NEIN - so nicht. Da waren doch die Schmerzen. Schnell ein paar teuere Ärzte konsultieren. Ah, wußte ich doch, na wenn das nicht ein schönes, extravagantes, Mitleid erregendes Krankheitsbild ist. Da haben wir doch schon mal Ausweg 1: "Ich war so gut im Training, aber dann diese heimtückische Krankheit, wie aus dem nichts. Die Experten haben mir einen Start verboten. All die Vorbereitung dahin. Ich wäre sonst sicher vorn dabei gewesen" War da nicht der Zeitmangel? Hat die Arbeit/Familie/Haus.. nicht unverhofft noch mehr Zeit gekostet. Können nicht die die Schuld übernehmen? Ausweg 2: "Alles war so gut geplant, aber dann kam dieses neue Projekt im Job/ die Krankheit der Kinder / der Anbau am Haus.. und das hat den Plan über den Haufen geworfen, ohne das wäre ich sicher vorn dabei gewesen, so hat das keinen Zweck. Letzter will ich ja nicht werden. Ich starte um zu siegen" Eigentlich ist egal was passiert. Schuld sind Andere, die Umstände oder die Konstellation der Sterne.
Fazit: Ausdauertraining stärkt die Gesundheit, die Phantasie und schon der Gedanke daran macht einen zum Sieger. Ich übrigens bin frei von diesen Allüren. Ich hatte zwar einige Wehwechen aber ich mache ja in zwei Wochen diesen Ultra-Bergauf-Gepäck-Rückwärts-Wettkampf. Da hab ich so einen einmal 10minuten Intensivtrainingsplan gefunden, damit geht das noch. Und die anderen sind alle lange nicht so gut vorbereitet, ich denke ich bin ganz vorn dabei.
Gruß, Euer Schlußläufer