100km - oder wie stelle ich mein Leben auf den Kopf

Mai 2008

Moin,


8 Runden Außenalster – Doch das Ziel ist Biel
Irgendwie war auch hier der Wurm drin. Ich muss bei irgendeiner Popellotterie das Lust-Los 2008 gezogen haben. Ich bin derzeit total unmotiviert. Aber gut, dass darf den Ultra nicht am Training hindern. Außerdem versprach ein Simultan Training von Sven, der von der Firma nach Köln verfrachtet wurde, für ein gewisses Maß an Abwechselung.

Leider verzögerte sich dann der Start. Ich wollte um 17:00 los. Aber die Familie rief und so wurde es 18:45 bis ich mich an gewohnter Stelle in die Parkbucht Krugkoppelbrücke zwängte. Ist nicht immer leicht einen Schwedenpanzer bei guten Wetter verpflegungstechnisch so zu platzieren, dass man dann Runde für Runde da auch ran kommt. Heute klappte es. Ich hatte beim Einparken Sven am Ohr, der bereits seit einigen Minuten lief. Ich startet dann auch durch.

Die erste Runde
Es hat schon fast Methode. Es fängt immer mit der Ersten Runde an. So auch diesmal. Es war voll. Ach was sag ich, es war kaum ein Stehplatz zu bekommen. Jogger, Radler, Spaziergänger, Kötelmacher. Alles war da. Na das konnte ja was werden. Ich lief also Hindernisparcur und schluckte Staub. Niemand hob seine Füße. Ich konnte das zu diesem Zeitpunkt noch und hätte mich gefreut, wenn andere das auch getan hätten. Ich sah also bereits nach wenigen Metern, als der Schweiß sich seinen Weg an die Oberfläche zu bahnen begann, aus wie nach einer mehrtägigen Wüstentour. Die Augen brannten. Murks, so sollte das eigentlich nicht laufen. Ich trank viel von der noch schnell erstandenen Penny Flüssignahrung für angehende Fettleiber. Für den Einkauf eines „echten“ Sportgetränks hatte die Zeit nicht gereicht.

Die Zweite Runde
Auja, es begab sich auf eben dieser Zweiten Runde, dass ich zu realisieren begann: Das wird heute alles andere als leicht. Der Staub, die Wärme, die Leute… Immerhin hatte ein kurz Telefonat mit Sven nach der ersten Runde ergeben, dass er auch noch lief und langsam den Stadtwald kannte. Dort war die Runde nur ca. 15min lang, was den Spaßfaktor ins unermessliche zu steigern schien.
Ich wühlte mich derweil ein zweites Mal durch die Zähe Menschenmenge. Rein körperlich ging es soweit gut.

Die Dritte Runde
Sven war raus. Er hatte ja kein rollendes Bistro und war daher schnell trocken gefallen und musste nun erstmal die Speicher auffüllen. Etwas länger hätte schon durchhalten dürfen. Aber auch ich war müde. Das Lust-Los ergriff mich mit voller Härte. Sven war ja auch auf dem Weg ins Hotel… Ach, einfach stehen bleiben, nett was trinken, duschen und ein gemütlicher Abend. Ja das klang gut. NEIN. Ich doch nicht. Ich bin gekommen diesen lächerlichen Segelteich 8mal zu umrunden, dann mache ich das auch. Die Nacht ist lang. Ich lasse mich doch von so einem Tümpel nicht unterkriegen.

Die Vierte Runde
Ok, es wird leerer. Das ist gut. Ich habe auch schon ein Shirt übergezogen, denn mit dem fehlen der Menschen hat auch irgendwer beschlossen die Heizung runter zu drehen. Es wird kälter. Gut das ich heißen Roibusch Tee im Bistropanzer habe. Auf dieser vierten Runde muß ich leider bereits mehrfach das Laufen mit Gehpausen mischen. Murks. Aber was solls. Es geht hier ja auch um ein mentales Training. Und dafür das ich lieber jetzt als eben aufhören würde bin ich bereits stolz mich überhaupt noch zu bewegen.
Ich beginne mich mehr für Strecke zu interessieren. Auf einer Kanalbrücke habe ich einen benutzten Damen Slip entdeckt. Nachdem mir eine Kollegin das Buch „Feuchtgebiet“ geliehen hat, weckt der leider keine angenehmen Phantasien. Aber gut. Immerhin liegt er da. Man kann ihn bemerken und mindestens 500m darüber nachdenken warum in alles in der Welt niemand – ich eingeschlossen – diese Teil mal entsorgt.

Die Fünfte Runde
So der Slip hatte mich über die vierte Runde gebracht. Am Auto gab es „Schweinohren“, Brot, Zartbitter Nuß, Roibusch Tee… halt all die guten Sachen, die angeblich helfen lange Strecken laufen zu können.
Die Strecke war ja jetzt leer. Naja, bis auf die Mücken. Die sollen ja bekanntlich auch Proteine enthalten. Einige habe ich verschluckt. Die haben sicher geholfen, dass diese Runde wieder etwas leichter lief. Es stellte sich dann die wissenschaftliche Frage, ob ich die Mücken Proteine auch über die Schleimhäute in Augen und Nase zu mir nehmen kann. Das hätte für ein deutliches Leistungsplus sorgen müssen, da ich beide Bereiche schwarz waren. Gut, dass Leistungsplus kam nicht, man kann die also nur verwerten, wenn man Sie verschluckt. Gesagt getan, Mund auf und ab damit.

Die Sechste Runde
Es war dunkel. Die Mücken schliefen. Alle Mücken? Nein nicht alle Mücken. An der 9/11 Parannoia Station wo das Flutlicht niemals schläft sind auch die Mücken noch aktiv. Und zwar so geballt, dass selbst der Leistungshungrige Ultra den Mund und die Augen zumacht. Wie kann man da nur die ganze Nacht stehen und ein leeres Haus bewachen und sich auffressen lassen? Die Spinnen die Römer.
Allerdings werden gerade in großen Stil Erdarbeiten verrichtet. Rohre verbuddelt. Vielleicht eine Autan Pipeline? Ja, dass muß es sein. Die versorgen sich unterirdisch mit Mückenabwehr. Nur die Läufer gehen wieder leer aus.

Die Siebte Runde.
Jo, wär hätte das gedacht. Zäher beginn. Gehpausen bereits in der frühen Phase. Und doch er läuft noch der alte Körper. Nicht klein zu kriegen. Oder doch? Ich denke schon. Die Knie sagen schon länger: Laß den Scheiß, halt an. Die Füße, sonst ein stetter Quel satter Schweißproduktion, laufen trocken. Eine feste Schicht aus Schweiß und Staub hat die Füße Vakuum verpackt und jeden Stoffwechsel im Keim erstickt. Ob da jemals wieder Fußpilz und –nagel wachsen werden? Zu Hause warten jedenfalls schon Meisel und Spatel um den eigentlichen Fuß wieder sichtbar zu machen.
Wo wir bei den eckligen Dingen dieser Welt sind. Es ist belegt, Erbrochenes auf staubigen Grund und in wüsten ähnlichen Klima trocknet auch in 4 Runden nicht. So lange hat mich jedenfalls der von einem Mitmenschen achtlos auf die Strecke gelegte Haufen Runde für Runde zu einem hüpfer verleitet.

Die Achte Runde
Wahnvorstellungen ergreifen von mir Besitz. Die Uhr zeigt mittlerweile 2Uhr morgens. Und eine weitere wichtige Erkenntnis ergreift Besitz von mir. In einem der zahlreichen von mir gelesen Laufmagazinen wurde davon berichtet, dass Laufen das Bewusstsein erweitert und den Verstand schärft. Kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht feststellen. Was ich aber deutlich merke ist: Wer um 2 Uhr morgens läuft ist deutlich wacher, als jemand der im Bett liegt und schläft.
Mist, schlafe ich beim laufen. Habe ich die Strecke verlassen. 3 Lichter im Dreieck angeordnet kommen mir entgegen. Bin ich auf der Kennedybrücke auf die Gleise der Deutschen Bundesbahn geraten. Oh nein. Glück gehabt. Es sind Bürger in Uniform, die die Laufstrecke inspizieren. Blöde Zeit dafür. Denn mittlerweile bin ich allein. Kein Läufer begegnet mir auf dieser meiner Letzten Runde.
Nur die Stimmen von alkoholisierten halbverrückten Würmerbadener dringen hier und da an mein Ohr. Ja diese Angler. Ob der permanenten Fisch Gestanks in der Küche ihrer Behausung verwiesen haben Sie hier in der Auen der Alster eine Zuflucht gefunden. Zusammen mit Gans und Ente bewohnen Sie den Schilffgürtel und meiden streng den Kontakt mit Joggern und andere höheren Lebensformen.

Am Ende im Ziel
Ich bin da. 8 Runden sind mein. Wieder erwarten verfüge ich noch über einen Gehapparat dem ich auch noch die Betätigung von Kupplung und Gaspedal zutraue. Ich stelle die Sitzheizung an, das Gebläse auf volle Kamele und verwandele den Schweden in Kurze Zeit in eine trocken Kammer. So werden die Laufsachen die ich gleich achtlos auf die heimische Veranda schmeißen werde keine Schweißflecken mehr hinterlassen können. Nur der Stauhaufen um die Schuhe wird – neben dem Gestank der Funktionsklamotten – am nächsten Morgen an die Ereignisse der Nacht erinnern.

Der nächste Morgen
Das besteigen des Autos für die Fahrt zum Bäcker erregte sich das Mitleid der Nachbarn. Ein abknicken der Wirbelsäule war nicht möglich, so das ich im „Stück“ einsteigen musste. Jetzt ein paar Stunden später ist alles wieder im Lot. Nur müde bin ich. Lust Los, auch noch. Aber:
BIEL KANN KOMMEN!