100km - oder wie stelle ich mein Leben auf den Kopf

März 2006

Das ES : Es läuft : Es kauft : Es zweifelt

Moin,

Der Februar ist rum. Der März schreitet voran. Am 26ten soll es einen Halbmarathon als kleinen Leistungscheck geben. (Update: Der Halbmarathon am 26ten ist nun gelaufen. Mit 1:54 bin ich so schnell unterwegs gewesen wie nie zuvor. Und das trotz Regen und Matsch (Ein Laufkollege verlor sogar seinen Schuh im Schlamm). Gezogen hat mich eine Läuferin aus der BSG von Phillips. Danke nochmal.) Die 100km von Biel werden immer deutlicher sichtbar am Horizont. Der innere Schweinehund ist auch schon ein steter Gast. 10,4km mißt die sogenannte Nachtrunde. Neulich waren 3 Runden zu laufen. Die erste schon langsamer als sonst. War doch etwas viel die Woche. Die Zweite lief noch so gerade. Beim Getränke und Verpflegungstop auf der heimatlichen Veranda, die Dusche nur 3m Luftline entfernt, die Außentemperatur bei wohligen -2°C, die Lust beim absoluten Nullpunkt (für den Nichtphysiker -273,16°C).
Da war er dann, der fragende Blick nach innen, soll ich wirklich noch eine dritte Runde laufen. Es ist 23Uhr. Ab unter die Dusche. Aber dann ging es los auf die zähe dritte Runde. Sie umkreist das Heim. Nirgends ist es weiter als 1,5km um nach Hause zu kommen. Ein Kampf von über einer Stunde. Und plötzlich lief nicht mehr ich, sondern es. Es lief und hörte nicht auf die Stimmen. Gut so, ein Schritt getan um in Biel das Ziel zu sehen, oder?

Das ES : Es läuft : Es kauft : Es zweifelt

Es wird schon!

Es läuft jetzt ganz gut. Bin ich in 2005 insgesamt ca. 1000km gelaufen, so sind es bis Ende Februar jetzt schon über 350. Das ist gut, zwickt aber auch hier und da. Aber da ja jetzt das ES Einzug gehalten hat und ES nicht viel von Zipperlein hält, geht es auch weiter.
Von außen betrachtet ist so ein Training im Winter - und der ist gerade noch mal richtig zurückgekommen - schon schwer zu verstehen. Aber wenn ES im Winter nicht läuft, dann läuft ES bis Biel auch nicht mehr so richtig. 6 Monate sind schon knapp um einem Bürokörper 14Stunden (oder mehr) laufen nahezulegen. Da sollte sich keine Pause einschleichen.
Das die Familie spuckt und alle Klos belegt ist da nicht förderlich, scheint aber am laufenden Körper vorbei zu ziehen. Sollte laufen doch "stark" machen? Besser wär das, aber noch bin ich nicht im sicheren Fahrwasser.
(Update: Der Virus ging an mir vorbei!!! Zunehmend bewegt mich doch auch die Frage ob ES alleine läuft. Bisher ja, aber Donnerstag geht es mit Sven auf die Strecke. 30km ist gesetzt. 4 mal um die Alster. Aber danach ist noch offenes Ende. Vielleicht gehen ja auch 8 Runden? (Update: Es wurden 6 Runde also knapp 45km. Es lief noch Tatjana mit, die auch in Biel startet. Morgen am 30ten sollen dann die 8 Runden fallen! Und das hat dann auch funktioniert. In wechselnder Besetzung liefen Tatjana, Kerstin, Sven, Nol, Ralph-Peter und meine Wenigkeit. 8 Runden habe allerdings nur ich gemacht. Bin nur ich plemplem? Anbei die Kurven von Geschwindigkeit und HR.

6 Alsterunden 6 Runden - 8 Runden 8 Alsterunden


Allein in Biel, läuft das auch? Die Frage taucht immer wieder auf. Ohne Fahrrad Support reicht niemand die Regenjacke, wenn das Wetter umschwingt. Keiner hat einen warmen Flies parat, wenn die Nacht doch kälter wird. Was man nicht trägt ist nicht da. Auch Futter und Trinken gibt es nur vom Gürtel oder am nächsten Stand. Es ist bekannt: Der ist immer dann noch 5km weg, wenn es wirklich brennt. 5km, das sind nach 60km wie viele Minuten Kampf mit dem Schweinehund? 30min? Nie und nimmer, der 6er Schnitt ist nicht der Weg zum Ziel. 35min? Ein 7ner Schnitt ist denkbar, aber auch machbar? 40min, in 8min/km sollte es doch wohl gehen, oder? Tja gehen, wenns in Richtung 45 min geht ist gehen wohl die Richtige Bezeichnung für die Art der Fortbewegung. Aber auch gehen soll ja am Ende schwer fallen. Und 45min sind eine lange Zeit. Wenn man abgekämpft mit 500ml und ein wenig Futter durchalten soll. Da wird ES einiges zu tun kriegen. Aber im Moment läuft ES ja.

Das ES : Es läuft : Es kauft : Es zweifelt

Kaufen, kaufen, kaufen...

Kann Konsum das Training ersetzen? Einige Laufgurus machen einen das ja glauben (Moin, Hr. Greif). Pulver hier, Shirt dort, Uhr am Arm.... Und auch ich beruhige so meine Seele. Die Uhr mit Speed Sensor ersetzt/unterstützt das Körpergefühl. Der neue Laufschuh ist noch so rechtzeitig da, daß er einige km an die Füße kann bevor am 09.06.2006 um 22:00 der Knall, eine ca. 100.000-fache Belastung der ausgeklügleten Dämpfungselemente startet. Da bleibt die Frage: Schuh oder Körper, wer gibt eher auf. Der Winterschlußverkauf brachte auch noch hyper-Schweiß-leitende hochatmungs-aktive ultraleicht-reflektierende Sportfasern.
Ja, so Konsum gestärkt kann ja nichts mehr schiefgehen. An der Ausrüstung ist nicht zu meckern. Restrisiko ist nur noch der Körper, und vielleicht gibts ja auch da bald ein neues Modell günstig zu erstehen? Immerhin sinkt der Zeiger der Waage kontinuierlich und so stellt sich schon ein neues Körpergefühl ein.
Und auch für den Rest des Jahres sieht es gut aus im März. Der Jungfrau-Marathon hatte ein Einsehen und das Losglück bescherrte einen Startplatz. So kann - wenn nach Biel die Knochen noch leben - im September gleich noch die bergauf Variante gelaufen werden.


Das ES : Es läuft : Es kauft : Es zweifelt

Heinz Erhardt: Plagten ihn einst die Zweifel, so plagen ihn heut die Dreifel

Auch auf dieser Seite sei der letzte Absatz den Zweifeln gewidmet. Sie kommen bekanntlich immer zum Schluß, in der Regel heftig und unpassend sowieso. Jetzt im März sind Sie da, aber beherschbar klein. Aber vieles fängt jetzt im März auch erst an zu wachsen. Der Pessimist wird halt nur positiv, der Optimist nur negativ überrascht. Was also tun?
Viel Spielraum ist ja nicht. Weiter laufen. Oder noch weiter laufen. Beides ist sicher gut. Ich laufe also weiter. Durch die Nacht, den Schnee, den Regen. Allein. Weil der Mitstreiter noch Technik verliebter ist als ich und meint das Laufband sei die Bessere Natur. Variabel zudem in der Gegenwehr ("wenns kneift nehm ich die Steigung raus"!), unterhaltsam ("ich kuck dann immer fern") und wahrscheinlich auch kommunikativ im sogenannten Hygiene Bereich. Immerhin - zumindest ist nichts Gegenteiliges bekannt - ist er noch auf der Pirsch.
Ich renne allein. Ohne Knopf im Ohr. Nur mein Freund der Schweinehund ist immer dabei (und ab und zu ein Schreck, wenn mich ein Schatten überholt, weil eine Laterne ungünstig stand, ja ich bin nicht sonderlich mutig!). Es sind schöne Dialoge, die man mit diesem Viech führen kann. Argumente gehen ihm nie aus. In der Diskussion senkt sich der Blick, die Schritte werden schwer.... Aber wenn man ihm dann erklärt hat, daß die Argumente gut sind, aber nichts gegen das "Aber ich kann auch weiterlaufen!" ausrichten können, dann hebt sich der Blick und die Schritte werden länger. Die Uhr kündete von 10sek. weniger auf den km, die Nacht ist etwas heller und es geht wieder für die nächsten km. Bis ein Windhauch ungeahnte Kälte bringt, eine Steigung die 10sek frist, das Knie eine Pause will, der Stein im Schuh doch ein Blase ist ... und dann beginnt er von vorn der Dialog mit der inneren Stimme.
Bei 30km sind es vielleicht 4-8 Dialoge, je nach Tagesform und Witterung. Tendenz zunehmend auf den letzten km. Kann man das auf 100km hochrechnen? Sicher werden es einige. Und es wird sich zeigen ob "Aber ich kann auch weiterlaufen!" bis ans Ende reicht. So oder so, hier wird es dokumentiert.